ACK-NRW Frühjahrstagung in Wuppertal – Begegnung und Gespräche mit geflüchteten Menschen

Tagungsbericht: Flucht und Migration als Herausforderung für Kirchen und Gemeinden
ACK-NRW Frühjahrstagung in Wuppertal – Begegnung und Gespräche mit geflüchteten Menschen


Die christlichen Gemeinden stehen vor großen Herausforderungen: Viele geflüchtete Menschen kommen neu in die Kirchen, suchen dort Anschluss und zunehmend auch geistliche Angebote. So wollen sich immer mehr Flüchtlinge - vor allem aus Afghanistan, Syrien und dem Iran - taufen lassen. Es geht längst darum, mehr als nur praktische Hilfe und Betreuung anzubieten.

Unter dem Titel "Flucht und Migration als Bewährungsprobe für christliche Kirchen und Gemeinden" kamen die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Nordrhein-Westfalen (ACK-NRW) in Wuppertal zusammen. Dabei kam es auch zur Begegnung mit Frauen und Männern, die aus ihren Heimatländern geflohen sind. Ganz offen sprachen sie darüber, wie es ist, die Heimat verlassen und sich in einer völlig fremden Umgebung zurechtfinden zu müssen.

Angelehnt an das vom evangelischen Theologen und NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer geprägte Wort „Kirche ist Kirche für Andere“ zeigte Diakonievorstand Dietmar Kehlbreier aus Recklinghausen die  aktuellen Aufgaben auf. „Die Flüchtlinge brauchen jetzt, wenn sie aus den Unterkünften in eigene Wohnungen umziehen, erst recht Begleitung“, betonte der Pfarrer. Neben Asyl- und Sozialberatung sollten die Kirchen ihre Rolle als Orte der Verständigung für Fremde und gegen Rechtspopulismus stärker wahrnehmen. Sie könnten auch ein Podium sein für interreligiösen und interkulturellen Dialog. Angesichts von immer mehr Abschiebungen müsse sich jede Kirchengemeinde auch Gedanken zum Kirchenasyl machen.

In der Flüchtlingsarbeit sind Kirchengemeinden, Diakonie und Caritas eng miteinander verzahnt. In den Gemeinden seien viele ehrenamtliche Mitarbeitende aktiv. „Sie kennen die sozialen Brennpunkte vor Ort genau“, sagte Kehlbreier. Caritas und Diakonie leisteten dabei fachliche sowie logistische Unterstützung und seien Anlaufstellen für Ehrenamtliche.

„Hilfe bei der gesellschaftlichen Integration dient dem Gemeinwohl und dem friedlichen Zusammenleben“, unterstrich ebenso der Essener Caritasdirektor Björn Enno Hermans.  Zugleich machte er deutlich, dass neue Angebote in Kommunen und Kirchen nötig seien, „um  das Entstehen von Parallelgesellschaften zu verhindern.“  Geflüchtete Menschen müssten als Mitbürger und aktive Mitgestalter gewonnen werden, von denen alle lernen könnten. „Was für eine Chance für uns, genau in diesen Nächsten Jesus Christus zu begegnen“ zitierte Hermanns den Essener Weihbischof Ludger Schepers.

Zuvor hatte der Alttestamentler Dr. Jan-Dirk Döhling in seinem Vortag vor der ACK-Tagung die christliche Migrationsvergessenheit in Theologie und Kirche bedauert und anhand biblischer Befunde skizziert, dass dies nicht schriftgemäß sei. Zwar werde im Umfeld des  Alten Testaments  die „Wanderrolle“ negativ beschrieben:  „Die Wanderer sind die Anderen, die Bösen“ – die Bibel selbst aber sei ein Buch von Migrantinnen und Migranten, sagte der Kirchenrat der Evangelischen Kirche von Westfalen und persönliche Referent der Präses Annette Kurschus. Die Bibel kann laut Döhling als ein „Fachbuch des Überlebenswissens“ verstanden werden. So seien „Flüchtlinge nicht als passive Opfer“ zu betrachten, sondern als selbstbewusste Menschen, die ihr Leben und Schicksal selbst gestalten.
„An der Art und Weise wie wir mit den Fremden umgehen, wird sich entscheiden, wer wir als Kirche und Kirchen sein werden in Zukunft - vor Gott und in unserer bundesrepublikanischen, nordrhein-westfälischen Gesellschaft“, hatte die Vorsitzende der ACK-NRW, Annette Muhr-Nelson, in ihrer Begrüßung gesagt. In fünf Workshops tauschten die Teilnehmer ihre eigenen Erfahrungen aus. „Es wird schwieriger“, war die einhellige Meinung, „aber genau hier sind wir jetzt gefordert.“
Nach der Euphorie des Anfangs stehen nun Kirchen und Gemeinden mit ihren verlässlichen Strukturen dafür ein, dass aus der Willkommens- eine gute Ankommenskultur wird. Sie unterstützen und begleiten die Ehrenamtlichen, halten Kontakt zu den Flüchtlingen. Sie knüpfen Kontakte zu Caritas oder Diakonie in europäischen Nachbarländern, wenn es um die Abschiebung oder Rückführung von Menschen geht, die Unterstützung brauchen. Sie entwickeln zusammen mit anderen Zugewanderten mehrsprachige Gottesdienstformulare, organisieren Glaubenskurse und bieten Räume für ethnisch und sprachlich homogene Gruppen, die ein bisschen Ersatz bieten für die verlorene Heimat und das Ankommen im fremden Land erleichtern.

Beim Abschlusspodium ging es um die Frage, wie sich die einzelnen Kirchen, aber auch die gesamte ACK durch die Migration verändern. Der griechisch-orthodoxe Erzpriester Constantin Miron betonte, es sei Aufgabe der Kirchen, den Menschen Heimat zu bieten. Gerade unruhige Zeiten machten die Menschen empfänglich für das tröstende Wort Gottes, dass er eine ewige Heimat im Himmel für alle bereithalte.

Miron verwies weiter auf die Erfahrungen, die orthodoxe und orientalische Christen in ihren Herkunftsländern mit dem Islam gemacht haben. Diese müssten in die Debatte um die gesellschaftliche Verortung des Islam in Deutschland einfließen.

Der freikirchliche Pastor Lars Linder hob hervor, dass gerade die Freikirchen mit ihrem individualistischen Ansatz eine große Bereicherung durch den Gedanken des Christentums als Gemeinschaftsgut erführen, den beispielsweise die syrischen Christen mitbringen. Er sieht eine verstärkte Herausforderung für die ACK darin, sich dem Thema Islam und Verfolgung von Christen in islamischen Ländern zu stellen.

Marco Alferink von der evangelisch-methodistischen Kirche erlebt in seiner Gemeinde eine neue Reflexion der wesentlichen Glaubensinhalte. Dr. Tim Lindfeld verwies auf die Initiative des Erzbistums Köln „Neue Nachbarn“, die den Blick über den Tellerrand fördern und damit gleichzeitig auch das kirchliche Denken in parochialen Strukturen aufbrechen will.

Markus Schäfer von der Evangelischen Kirche im Rheinland schließlich warb für die Wahrnehmung des Internationalen Kirchenkonvents als Bindeglied zwischen den alteingesessenen Gemeinden und den Neuankömmlingen. Hier gebe es gewachsene Strukturen und gut eingespielte Zusammenarbeit, die nach vielen Seiten anschlussfähig sei.

Die lokalen ACK’s - darin sind sich alle Mitglieder einig - bieten vor Ort eine geniale Netzwerkstruktur. So können die kleinen Kirchen von den Strukturen der Großen profitieren und die wiederum die Charismen der Kleinen entdecken. Was bislang als Thema in der ACK noch nicht richtig verortet ist, sind die Fragen eines sich charismatisch und pfingstlerisch verändernden Christentums. Kann die ACK sich dem öffnen und sich den Anforderungen eines postkonfessionellen Christentums stellen oder bleibt sie die Arbeitsgemeinschaft der klassischen „alten“ Konfessionskirchen? Diese Frage blieb am Ende unbeantwortet. Sie wurde den Delegierten mit auf den Heimweg gegeben, um zu gegebener Zeit wieder thematisiert zu werden.

Einen interreligiösen Ansatz hat die nächste ACK-Studientagung im Herbst. Im Mittelpunkt des Treffens vom 26. bis 27. September in Bielefeld-Bethel steht dann das Thema: "Das Friedenspotential der Religionen – Christentum und Islam".


Text: Annette Muhr-Nelson / Dirk Johnen

Kontakt

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Pfarrer Dr. Christian Hohmann

oikos-Institut für Mission und Ökumene

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christian.hohmann@ekvw.de

 

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